Kinder

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Integration braucht Bildung

Der größte Raum ist 15 Meter lang. An einem großen Konferenztisch wird hier gearbeitet. Die Fensterflächen lassen viel Sonne herein, die hohen Decken lassen den Raum noch mal größer erscheinen. „Kinder haben gelernt, sich auf engem Raum zu bewegen“, sagt Özlem Sözener. „Hier sollen sie Platz haben, um sich zu bewegen und um miteinander zu lernen. In einem großen Raum kommen die Kinder sich ganz groß vor.“ Platz für Selbstbewusstsein – den bietet und vermittelt die Inhaberin des Interkulturellen Kollegs Bielefeld. Seit November 2007 bietet sie hier Nachhilfe- und Förderunterricht für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund.

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Özlem Sözener hat mit ihrem Institut ein Alleinstellungsmerkmal. „Ich bin die erste, die in Bielefeld ein solches privates Nachhilfeinstitut führt“, sagt sie. Seit 2005 beschäftigt sie sich mit der Idee der Gründung, „weil ich die Lücke entdeckt habe“. Denn nicht erst seit den PISA-Studien ist bekannt, dass Bildungschancen in Deutschland von Herkunft und sozialem Status abhängen. Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund stellen einen hohen Anteil der Schülerschaft in Haupt- und Förderschulen, überproportional häufig erzielen sie keinen Schulabschluss, an Gymnasien und gymnasialen Oberstufen sind Kinder aus Familien mit nicht-deutschen Eltern selten vertreten. Für Özlem Sözener Grund genug, sich als Unternehmerin dieser Zielgruppe zu widmen. Ihr Ziel ist „eine gute Bildung der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund zu erweitern und zu unterstützen“. Denn Bildung eröffne eine größere Chance auf Teilhabe an der Gesellschaft. Das Interkulturelle Kolleg Bielefeld erreicht die Kinder und Jugendlichen von der 1. bis zur 13. Klasse, bietet Einzel- und Gruppenunterricht sowie spezielle Abiturkurse. 40 bis 50 Kinder haben in den Räumen des Kollegs Platz. In dem ehemaligen Ladenlokal stehen neben dem großen Gruppenraum vier weitere Räume, darunter ein Computerraum zur Verfügung. „Wir arbeiten mit einem Drei-Säulen-Modell“, beschreibt Özlem Sözener ihren Ansatz. Und das heißt, dass Schule und Elternhaus einbezogen werden. „Es geht nicht allein um den Nachhilfeunterricht“, sagt sie, „sondern darum, dass die Schule die Hintergründe der Familie kennen lernt und dass die Eltern Vertrauen fassen können.“ Das Institut übernehme eine Brückenfunktion, „dadurch erreichen wir, dass sehr viel sichtbar wird“. Denn die Lern- oder Schulschwierigkeiten selbst seien oft nur der Ausdruck von Problemen, die schwerer wiegen. „Es geht oft um Fragen des Selbstvertrauens und um Loyalität.“ Özlem Sözener ist davon überzeugt, dass die Selbstwahrnehmung als Minderheit in Deutschland einen großen Anteil habe, wenn es um Selbstbewusstsein und Leistungsvermögen geht. Was so viel heißt wie: Wer sich als Minderheit begreift, akzeptiert eher, dass die Kinder eben auf der Förderschule sind. Özlem Sözener ist Literaturwissenschaftlerin. Über die theoretische und interdisziplinäre Auseinandersetzung mit Migration, Bildung und Interkulturalität sowie die praktische Arbeit als Nachhilfelehrerin an einer Grundschule mit einem Migrantenanteil von 85 Prozent, begann sie ihre Leidenschaft für die interkulturelle Arbeit zu entdecken. Dass sie selbst mit 15 Jahren aus der Türkei nach Deutschland kam und beide Kulturen und Sprachen kennt, erleichtert ihr den Zugang zu den türkischen Familien, sie kennt den kulturellen Code. Auch ihre Mitarbeiterin, eine Pädagogik-Studentin, hat einen türkischen Hintergrund – für die Arbeit im Kolleg unverzichtbar. Dass Özlem Sözener mit ihrem Angebot richtig liegt, zeigt die Resonanz im ersten Jahr nach der Gründung. Und die bringt die Unternehmerin gleich auf neue Ideen. „Viele Kinder kommen auch dann am Nachmittag zu uns, wenn sie keinen Unterricht haben“, erzählt sie. „Daraus wollen wir jetzt ein Projekt machen, um ihnen begleitende Angebote machen zu können.“ Auch für die Mütter will sie niederschwellige Kurse speziell für Frauen anbieten, um ihnen nicht nur die Sprache, sondern auch Wissen über die Strukturen in Deutschland zu vermitteln. „Über die Türkei wissen sie alles“, sagt die Lehrerin, „die Realität in Deutschland kennen sie zu wenig.“ Im Interkulturellen Kolleg sollen sie mehr über das gesellschaftliche System in Deutschland lernen, über das Schul- und das Rechtssystem und die dazu gehörigen Begrifflichkeiten. Und auch auf die Kinder habe es eine Wirkung, „wenn sie sehen, dass ihre Mütter schreiben, lesen und über Politik in Deutschland sprechen“. Sich in Deutschland wahrzunehmen, darum geht es. „Ich wollte eine Unternehmerin sein“, sagt Özlem Sözener über ihren beruflichen Weg und klingt leidenschaftlich. „Ich wollte in einem Bereich arbeiten, den ich sehr liebe."

ÖZLEM SÖZENER, Interkulturelles Kolleg Bielefeld

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Alleinstellungsmerkmale
- Engagement im Bereich der Bildung und Integration
- Verstärkung der schulischen Leistungen durch gezielte Motivierung
- Kooperation mit Schulen
- Vermittlung interkultureller Kompetenzen bei SchülerInnen
- Kooperation mit den Eltern
- Unterstützung der interkulturellen Kommunikation zwischen den LehrerInnen und den Eltern
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